Das große Autismus ABC

Hier findest du umfassende und verständliche Antworten auf häufige Fragen rund um das Thema Autismus. Als Autismusberaterin bin ich darauf spezialisiert, Eltern, Kinder und Jugendliche sowie Fachkräfte mit wertvollen Informationen und praktischen Tipps zu unterstützen. 

Egal ob ihr gerade erst eine Diagnose erhalten habt, nach speziellen Fördermöglichkeiten sucht oder einfach mehr über Autismus erfahren möchtet – diese Seite bietet eine verlässliche Quelle für alle eure Fragen. 


  • Unter Autismus-Spektrum-Störung (ASS) werden die früheren Einzeldiagnosen wie das Asperger-Syndrom, der atypische Autismus und der Frühkindliche Autismus zusammengefasst. Diese Änderung lässt einen offeneren Blick auf die große Bandbreite der Symptome und Ausprägungen zu, vereinheitlicht Diagnosen und reduziert Stigmatisierung. Starre Kategorien werden somit vermieden.

  • Mit der Einführung des Begriffs Autismus-Spektrum-Störung (ASS) in diagnostischen Manuals, wie der ICD-11, wird das Asperger-Syndrom offiziell nicht mehr als separate Diagnose geführt. Stattdessen wird es als Teil des Autismus-Spektrums betrachtet. Allerdings ist das Asperger-Syndrom als Begriff und Konzept weiterhin in der Öffentlichkeit und unter Betroffenen präsent. Ob Betroffene die Begriffe Asperger-Autismus oder Asperger-Syndrom weiterhin als Teil ihrer Selbstbezeichnung wählen, muss der Entscheidung der Einzelnen, des Einzelnen überlassen bleiben.

  • Ist das kein richtiger Autismus? Auch der Atypische Autismus wird mittlerweile unter der Gesamtdiagnose Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst. Atypisch nennt man diese Form von Autismus deshalb, weil die betroffenen Personen nicht alle diagnostischen Kriterien für frühkindlichen Autismus erfüllen. Dies gilt insbesondere für das Alter, in dem sich erste Symptome zeigen. Er wurde folglich häufig bei Personen diagnostiziert, die deutliche soziale und kommunikative Beeinträchtigungen sowie repetitive Verhaltensmuster aufwiesen, jedoch nicht alle typischen Merkmale des frühkindlichen Autismus zeigten.

  • Wichtig ist zu betonen, dass frühe Anzeichen für eine ASS sehr individuell sind und es daher keine Allgemeingültigkeit gibt. Frühe Anzeichen im Kleinkindalter können jedoch folgende Bereiche betreffen: Soziale Interaktion, Kommunikation (Sprachentwicklung) und Verhalten und Interessen. Weiterhin kann es Besonderheiten im Spielverhalten geben (Spielzeug wird ungewöhnlich benutzt oder Dinge werden geordnet bzw. aufgereiht) und es können sensorische Besonderheiten auffallen. Das kann eine Hypersensibilität (Überempfindlichkeit) oder eine Hyposensibilität (Unterempfindlichkeit, starke Reize werden gesucht) gegenüber bestimmten Reizen sein.

  • Das stimmt so pauschal nicht. Manche autistischen Menschen empfinden jedoch Blickkontakt als schwierig oder unangenehm, da er zu einer Überflutung von sensorischen Reizen führen kann und sie im Gespräch ablenkt. Keinesfalls sollte Blickkontakt mit autistischen Kindern oder Jugendlichen trainiert werden, um diesen zu erzwingen, damit gesellschaftlichen Normen entsprochen wird.

  • Autismus wird aus medizinischer und rechtlicher Sicht als Behinderung klassifiziert, um passende Unterstützung zu gewährleisten. Folgt man dem Gedanken der Neurodiversität, stellt Autismus lediglich eine natürliche Variation in der menschlichen Neurologie dar. Letztlich muss es Autistinnen und Autisten selbst überlassen bleiben, ob sie die Bezeichnung Behinderung für sich selbst wählen oder nicht. Manche Autist*innen benötigen im Alltag sehr viel Unterstützung, andere hingegen kaum. Generell gilt: Behindert und Behinderung sind keine Schimpfwörter, sondern neutral zu verstehende Begriffe.

  • Coping-Mechanismen beziehen sich in Bezug auf ASS auf bestimmte Strategien, die viele Autist*innen anwenden, um mit den Herausforderungen und Stressfaktoren umgehen zu können, die durch eine auf neurotypische Menschen ausgerichtete Umwelt entstehen. Beispiele können Hilfsmittel wie Gehörschutz oder das Fokussieren auf Spezialinteressen sein, um Ausgleich zu schaffen.

  • Das Wichtigste bei der Diagnostik ist die Genauigkeit und die umfassende Betrachtung des individuellen Verhaltens- und Entwicklungsprofils, um eine fundierte und differenzierte Diagnose zu stellen, die als Grundlage für eine gezielte Unterstützung und Intervention dient. Hierfür braucht es Diagnostiker*innen, die sich mit ASS gut auskennen und durch Masking überdeckte Besonderheiten erkennen. Die maßgeblichen Elemente der Diagnostik beinhalten eine ausführliche Anamnese, Beobachtung des Verhaltens in verschiedenen Kontexten, Entwicklungstests und detaillierte Fragebögen.

  • Nicht unbedingt. ASS wird als tiefgreifende Entwicklungsstörung klassifiziert. Dennoch ist es wichtig zu beachten, dass Entwicklungsverzögerungen nicht bei allen Kindern im Autismus-Spektrum auftreten, da sich jedes Kind individuell entwickelt.

  • Frühkindlicher Autismus, auch als Kanner-Syndrom bezeichnet, ist eine Form von Autismus, die sich vor dem dritten Lebensjahr zeigt und durch deutliche Beeinträchtigungen in sozialer Interaktion, Kommunikation sowie durch repetitive Verhaltensmuster gekennzeichnet ist. Mittlerweile wird Frühkindlicher Autismus unter dem Überbegriff der Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) zusammengefasst, um die Vielfalt und Bandbreite autistischer Merkmale besser abzubilden.

  • Es gibt nicht DEN Auslöser für Autismus, vielmehr resultiert die ASS nach jetzigem Wissensstand aus dem Zusammenspiel mehrerer genetischer und umweltbedingter Faktoren. Pränatale Einflüsse und Komplikationen bei der Geburt können ebenso dazu beitragen. Zwillings- und Familienstudien bestätigen eine hohe Erblichkeit.

  • Für Deutschland gibt es zur Häufigkeit Schätzungen, die zu ähnlichen Ergebnissen wie in den USA kommen. Eine Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) berichtet, dass die Prävalenz von ASS bei Kindern und Jugendlichen bei etwa 1-2% liegt. Dies entspricht der internationalen Tendenz und verdeutlicht, dass ASS auch in Deutschland relativ häufig diagnostiziert wird.

  • Autismus und Inklusion sind eng verbunden. Folgt man dem sogenannten Neurodiversitätsparadigma, ist Autismus als natürliche neurologische Variation zu betrachten. Inklusion bedeutet, autistische Menschen als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft anzuerkennen und endlich Barrieren zu reduzieren, um ihre Teilhabe und Chancengleichheit zu fördern.

  • Die Zeit der Pubertät ist für Jugendliche im Autismus-Spektrum oft besonders herausfordernd, da sie mit intensiven körperlichen und emotionalen Veränderungen konfrontiert sind, die ihre sensorischen Empfindungen und sozialen Schwierigkeiten verstärken können. Dieser Entwicklungsschritt verdient zusätzlich viel Verständnis und Wertschätzung von allen Personen im Umfeld der Jugendlichen.

  • Ja, von erfahrenen Diagnostiker*innen kann Autismus bereits im Kleinkindalter diagnostiziert werden. Frühdiagnosen basieren auf Verhaltensbeobachtungen und entwicklungsbezogenen Kriterien. Unerlässlich ist ebenso, die Beobachtungen und Berichte von Eltern ernst zu nehmen und in die Diagnostik mit einzubeziehen.

  • Entsprechend den Diagnosekriterien gibt es allgemein gültige Merkmale in Bezug auf Autismus. Diese umfassen Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion, Kommunikationsbesonderheiten und spezielle Verhaltensweisen. Hinzu kommen sensorische Über- oder Unterempfindlichkeiten. Diese Merkmale können jedoch in ihrer Intensität und Ausprägung stark variieren und sind sehr individuell zu betrachten.

  • Masking bezeichnet das bewusste oder unbewusste Verbergen autistischer Merkmale, um sozialen Erwartungen zu entsprechen. Diese Anpassung kann erhebliche kognitive und emotionale Anstrengungen erfordern, was zu Stress, Erschöpfung und Überlastung führen kann. Ziel muss deshalb eine inklusive Haltung und Wertschätzung von Vielfalt innerhalb unserer Gesellschaft und im Umfeld von autistischen Menschen sein.

  • Ein Meltdown ist eine Überlastungsreaktion auf z.B. Überforderung, Stress oder sensorische Überlastung. Während eines Meltdowns können Betroffene unter anderem schreien, weinen, oder auch selbst- oder fremdverletzendes Verhalten zeigen. Zum Teil kommt es zum Rückzug. Wichtig ist unbedingt zu beachten, dass ein Meltdown KEIN Wutanfall und willentlich nicht kontrollierbar ist. Hilfreich sind ruhige Unterstützungsmaßnahmen, Geduld und Empathie.

  • Neurodiversität ist ein Konzept, das davon ausgeht, dass neurologische Unterschiede als natürliche und bereichernde Vielfalt zu betrachten sind. Menschen mit z.B. Autismus oder ADHS werden als neurodivergent bezeichnet. Als neurotypisch gelten Menschen, deren Gehirne keine solchen neurologischen Unterschiede zum Durchschnitt aufweisen. Das Neurodiversitätsparadigma betont die Akzeptanz und Wertschätzung der gesamten neurologischen Vielfalt.

  • Overload ist ein Zustand zunehmender, extremer sensorischer oder emotionaler Überlastung, bei der das Gehirn mit der Verarbeitung der Reize überlastet ist. Wird ein Overload nicht abgewendet und werden die Stressoren nicht reduziert, kann es zum Meltdown oder Shutdown kommen.

  • Prognosen können innerhalb des Autismus-Spektrums stark variieren und sich auch in jeder Lebensphase eines autistischen Menschen extrem verändern, da sie von vielen Faktoren abhängen. Insgesamt ist eine pauschale Prognose schwierig. Entscheidend sind auf jeden Fall eine individuelle Förderung, passende Therapieangebote sowie ein unterstützendes und wertschätzendes Umfeld.

  • Egal ob es um Therapie, Beratung oder Betreuung geht, ich würde immer darauf achten, welche Haltung eine Person gegenüber autistischen Menschen hat. In Förderung und Diagnostik ist es essenziell, dass die Fachkraft sich wirklich mit aktuellen Autismus-Standards auskennt und kein veraltetes Wissen oder stereotype Denkweisen reproduziert. Wertschätzung, Respekt und Empathie sollten selbstverständlich sein.

  • Repetitives Verhalten bezieht sich auf Bewegungen, Handlungen und Verhaltensweisen, die eine Person immer wieder wiederholt. Hierzu gehört eine sehr umfassende Bandbreite und umfasst zum Beispiel Dreh- oder Hüpfbewegungen, Klopfen, sich wiederholende Fragen oder Wörter, Denkprozesse… Repetitives Verhalten erfüllt für die entsprechende Person immer eine sinnvolle Funktion (Regulation, Vorhersehbarkeit, Stimulation…) und zeigt sich in vielfältiger Weise.

  • Stimming ist selbststimulierendes Verhalten und dient oft der sensorischen und emotionalen Regulation. Stimming kann helfen Stress abzubauen, Langeweile zu vermeiden oder auch einfach Freude oder Entspannung zu spüren. Manche Autist*innen stimmen mit dem eigenen Körper (z.B. Handbewegungen, Stimme) oder nutzen Gegenstände (z.B. Bälle zum Kneten, Popits, Textur von Stoffen). Stimming ist so individuell wie jede einzelne Person selbst und sollte niemals unterbunden oder abtrainiert werden.

  • Ein Shutdown wird wie der Meltdown durch eine immense Überlastung durch sensorische, emotionale oder soziale Reize hervorgerufen. Die betroffene Person zieht sich zurück und kann unter Umständen vorübergehend nicht mehr mit der Umwelt interagieren oder auf diese reagieren. Ein Shutdown ist eine Schutzreaktion des Gehirns, um Überlastung zu stoppen. Vom Umfeld der Person ist Verständnis und Geduld zu erwarten. Es ist wichtig, die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben der Person zu kennen, zu respektieren und entsprechend damit umzugehen.

  • Der Begriff Therapie meint nicht, dass bei Autismus etwas geheilt oder behoben werden muss. Autismus-Therapie ist vielmehr eine Vielfalt an Unterstützungsansätzen und Möglichkeiten zur Förderung einzelner Teilbereiche. Hierbei sind die Bedürfnisse, Stärken und Voraussetzungen des jeweiligen Kindes oder Jugendlichen zu beachten.

  • Ja, es gibt verschiedene Autismus-Tests im Internet. Diese sind frei und niedrigschwellig verfügbar, was ein Vorteil sein kann, um sich einen ersten Eindruck bezüglich einer Vermutung zu machen. Auf der anderen Seite ersetzen diese Tests auf keinen Fall eine hochwertige, umfangreiche und professionelle Diagnostik durch einen Facharzt oder eine Fachärztin und weitere erfahrene Diagnostiker*innen.

  • Es gibt nicht DEN Auslöser oder eine bestimmte Ursache für Autismus, vielmehr resultiert die ASS nach jetzigem Wissensstand aus dem Zusammenspiel mehrerer genetischer und umweltbedingter Faktoren. Pränatale Einflüsse und Komplikationen bei der Geburt können ebenso dazu beitragen. Zwillings- und Familienstudien bestätigen eine hohe Erblichkeit.

  • Eine reine angewandte Verhaltenstherapie wie bspw. ABA (angewandte Verhaltensanalyse) lehnen die meisten Autist*innen ab, da hier oft das Ziel der „Normalisierung“ und Anpassung autistischen Verhaltens an neurotypische Maßstäbe erfolgen soll. Ich selbst lehne die Arbeit mit Konzepten wie ABA ebenso ab. Ich verfolge Ansätze, die Selbstbestimmung respektieren, die von Akzeptanz und Wertschätzung geprägt sind und maßgeschneidert die Bedürfnisse und Stärken des jeweiligen autistischen Kindes oder Jugendlichen berücksichtigen.

    Einige Autist*innen berichten von positiven Erfahrungen mit kognitiver Verhaltenstherapie (KVT), sofern die traditionellen Therapieansätze an die spezifischen Bedürfnisse von Menschen im Autismus-Spektrum angepasst werden bzw. die Therapeutin, der Therapeut über entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen verfügt. Hierfür sind Psychotherapeut*innen die richtigen Ansprechpersonen.

  • Wiederholungen vermitteln in einer Welt, die sich an den Bedürfnissen von nicht autistischen Menschen orientiert, Sicherheit und Vorhersehbarkeit. Dies entlastet sensorisch, körperlich und kognitiv. So werden Abläufe, Situationen oder auch das Verhalten von anderen Menschen besser einschätzbar und vorhersehbar.

  • Ganz wichtig ist es in realistischen Schritten zu denken und diese individuell auf dein Kind und euch als Familie abzustimmen. Jeder Mensch entwickelt sich anders und in seinem Tempo. Jedes Kind ist wichtig, richtig und wertvoll, genauso wie es ist. Fühlt sich dein Kind wohl und verstanden, akzeptiert und geliebt, wertgeschätzt und gesehen? Dann ist das größte und beste Ziel schon erreicht!

 
 

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